Herausragendes Ziel der Stadt Kempten bei der Entwicklung der Jakobwiese war der Anspruch, ein lebendiges, urbanes Stadtquartier zu schaffen. In Weiterentwicklung der städtebaulichen Leitziele wird als erster Baustein des Quartiers ein Wohnhof entwickelt.
Im Wohnhof gibt es ein Außen und ein Innen, das höchst unterschiedliche Rollen spielt. Nach außen zeigen sich die Häuser mit ruhigem Relief, mit Fassaden, die von hohen französischen Fenstern geprägt sind.
Wie beim weichen Kern mit der harten Schale ist der Innenhof ganz anders: der Hof wird als Kommunikationsbereich die zentrale Bühne für die Entwicklung einer lebendigen Nachbarschaft darstellen. Hier kommt man an, hier liegen die Haustüren, die gemeinschaftlich genutzten Räume, hier spielen die Kinder unter einem großen Baumdach.
Innerhalb des engen Kostenrahmens von 1.800 DM/m² Wohnfläche werden trotzdem überdurchschnittliche Standards erreicht: So kommen ausschließlich natürliche Materialien zur Ausführung: Geklebte Planziegelwände mit 36 ½ oder 49 cm starkem Mauerwerk und Holzfenster. Die Gebäude besitzen einen Grauwasserkreislauf zur Toilettenspülung, um Trinkwasser zu sparen. Durch elektronische, dezentrale Steuerungssysteme der Raumheizungen, durch die Minimierung von Transmissionswärmeverlusten durch die äußere Hülle, ein sehr günstiges Hüllflächenverhältnis und die großflächige Öffnung der Hauptaufenthaltsräume zur Sonne wird der Heizenergieaufwand für die künftigen Bewohner ca. 20 % unter den Grenzwerten der gültigen Wärmeschutzverordnung (WSVO 1994) liegen. Die Dächer und die Oberflächen des Hofes werden in einem Mulden-Rigolen-System entwässert.
Der Wohnhof ist von der Straße aus behindertengerecht erreichbar - Vorraussetzung für die Integration älterer oder behinderter Menschen. Er ist autofrei und entwickelt somit ein gefahrenfrei benutzbares Wohnumfeld. Unter dem Wohnhof nimmt ein Parkdeck 60 Autos und Fahrradabstellplätze auf. Durch das fallende Gelände ist das Parkdeck und alle angelagerten Nutzungen ebenerdig zugänglich. Es ist natürlich belichtet und belüftet. Dunkle Bereiche wie in Tiefgaragen werden damit vermieden.
Es gibt ein breites Spektrum unterschiedlicher Wohnungen. So gibt es von der 2- bis zur 5-Zimmerwohnung alle Wohnungsgrößen in unterschiedlichen Lagen und Prägung. Zusätzlich können 2 Ateliers oder Gästewohnungen genutzt werden. Dabei wohnen fast alle Wohnungen „durch“, das heißt die Wohnungen haben Kontakt zum Hof und zum Umfeld, haben Anteil an der Morgen- und an der Abendsonne.
Die Primärstruktur der Häuser zielt auf eine geringstmögliche Determinierung von konstruktiven und haustechnischen Bindungen. Es entstehen Wohnungs-Plattformen, die unterschiedlich und sich immer wieder ändernd gefüllt werden können. Dabei werden die zukünftigen Bewohner intensiv bei der Entwicklung von Ausbaumöglichkeiten, bei der Aneignung der Wohnungen, der Gemeinschaftseinrichtungen und des Wohnumfeldes unterstützt.
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Klient:
Sozialbau Kempten
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Ort:
Kempten (Allgäu)
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Planungszeitraum:
1993 - 1997
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Geschossfläche:
6.980 m2
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Team:
Partner
Dietrich Fink, Thomas Jocher
Projektteam
Caroline Blum (Projektleitung), Ivan Grafl, Silke Münz, Ingo Blatter -
Fachplanungen:
Barbara Fuchs, München (Farbkunst)
Landschaftsarchitektur Stiegler, Rosenheim (Freianlagenplanung)
Ingenieurbüro Hartmann und Walter, Kempten (Tragwerkplanung)
Ingenieurgesellschaft P. Mutard, Ottobrunn (Bauphysik)
Ingenieurbüro Hirdina, Kempten (HLS Planung)
Ingenieurbüro Seibold, Kempten (Elektroplanung) -
Veröffentlichungen:
Siedlungsmodelle 3/2005,
Oberste Baubehörde - Neue Wege zu preiswertem, ökologischem und sozialem Wohnen -
Auszeichnungen:
Unipor Preis, 1999
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Fotografie:
Peter Bonfig, München